KI und die Arbeitswelt - Teil 2: Organisatorische Veränderungen
- Stefan Gruber

- 9. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Mit der Veränderung individueller Aufgaben gehen organisatorische Anpassungen einher. Die Einführung von KI in Unternehmen bedeutet häufig, dass Abläufe, Abteilungen und Strukturen neu gedacht werden müssen. Viele Firmen befinden sich in einer intensiven Experimentierphase.
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Ein globaler Trend: KI-Anwendungen werden zunehmend aus Pilotprojekten herausgelöst und in den produktiven Alltag integriert. So berichten etwa die Boston Consulting Group (BCG) und andere, dass 2024 zahlreiche Unternehmen vom isolierten KI-Test zum unternehmensweiten Rollout übergehen. Laut BCG nutzen bereits über 60 % der befragten Führungskräfte generative KI, um ihre Organisation aktiv umzubauen - etwa durch die Automatisierung von Prozessen, die Beschleunigung von Entscheidungswegen oder das Überdenken ganzer Geschäftsmodelle.
Die Aufbau- und Ablauforganisation wird flexibler werden müssen. KI ermöglicht beispielsweise, Entscheidungen datengetriebener zu treffen und manche Hierarchieebenen zu überspringen - etwa wenn Analysen und Berichte automatisch erstellt werden. Dadurch könnten sich Entscheidungsstrukturen verschlanken. Gleichzeitig entstehen neue Koordinationsaufgaben: Teams aus Fachexperten und KI-Spezialisten müssen eng zusammenarbeiten, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Das Silo-Denken in Unternehmen wird also weiter aufgebrochen. Einige Organisationen richten bereichsübergreifende KI-Taskforces oder Kompetenzzentren ein, die Best Practices definieren und die Verbreitung von KI-Tools intern steuern.
Allerdings zeigen Studien auch, dass viele Unternehmen noch keinen ausgereiften Plan haben, wie sie KI systematisch einbetten können. McKinsey fand Ende 2024 heraus, dass erst ein Viertel der Unternehmen über eine vollständig definierte KI-Roadmap verfügt – weitere rund 50 % arbeiten an Entwürfen. Die meisten stehen also noch am Anfang der Transformationsplanung. Entsprechend gaben über 50 % der CEOs an, die Auswirkungen von generativer KI auf Belegschaft und Unternehmenskultur noch nicht systematisch bewertet zu haben.
Es besteht eine deutliche Lücke zwischen dem rasanten technischen Fortschritt und der organisatorischen Umsetzung. Während IT-Teams bereits zahlreiche Tools testen, hinken etablierte Prozesse wie Budgetierung, Personalplanung oder Compliance oft hinterher. Eine zentrale Herausforderung ist dabei der kulturelle Wandel. Führungskräfte betonen, dass die KI-Transformation weit mehr eine Management- als eine Technologieaufgabe ist. So berichten über 90 % der Data-&-Analytics-Leader großer Unternehmen, dass kulturelle Barrieren und Change Management die größten Hürden auf dem Weg zur datengetriebenen Organisation darstellen – nur 10 % sehen technische Defizite als Hauptproblem. Mit anderen Worten: Die besten KI-Tools nützen wenig, wenn Organisation und Mitarbeitende nicht mitziehen. Hier zeigt sich auch ein Dilemma in der bisherigen Führungsstruktur: Viele CIOs und CTOs sind stark mit dem operativen Tagesgeschäft ausgelastet und können sich nicht ausreichend um die strategische Transformation kümmern. In einer Umfrage (Foundry’s State of the CIO 2024) gaben über 60 % der IT-Leiter an, heute weniger Zeit für strategische Aufgaben zu haben als früher. So droht KI als rein technisches Projekt wahrgenommen zu werden, während zentrale Themen wie Weiterbildung, Organisationsentwicklung und interne Kommunikation vernachlässigt werden.
Einige Experten plädieren daher für neue Rollen und Gremien, um KI-getriebene Veränderungen gezielt zu steuern. Forschende des MIT empfehlen beispielsweise die Einführung eines „Chief Transformation Officer“ oder „Chief AI Officer“, der abteilungsübergreifend die KI-Strategie und den Kulturwandel vorantreibt. Diese Rolle sollte nahe an der Geschäftsführung angesiedelt sein und über ausreichend Autorität verfügen, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und KI-Projekte zu priorisieren. In einigen Konzernen wurden bereits KI-Lenkungsausschüsse eingerichtet, denen Vorstände verschiedener Ressorts angehören, um einen ganzheitlichen Ansatz sicherzustellen.
Zusammengefasst stehen Organisationen vor einer Umbruchsphase, in der sie ihre Strukturen an eine digitale und KI-basierte Arbeitsweise anpassen müssen. Das kann tiefgreifende Veränderungen bedeuten - von neuen Organigrammen (z. B. flachere Hierarchien, projektbasierte Teams) bis hin zu veränderten Leistungsprozessen (z. B. agile Entwicklungszyklen statt starrer Jahresplanung, da KI-Entwicklungen dynamisch verlaufen). Unternehmen, die frühzeitig ihre Operating Models auf KI ausrichten, dürften klare Wettbewerbsvorteile erzielen.
Entscheidend ist dabei, den Menschen ins Zentrum der Veränderung zu stellen: Organisationen müssen dem Spannungsfeld gerecht werden, durch KI effektivere Prozesse zu schaffen – und gleichzeitig ein motivierendes, integrierendes Arbeitsumfeld für ihre Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten.
In den nächsten Wochen folgen:
Governance, Leadership, Upskilling und die lernende Organisation
Quellen: Die vorliegenden Einschätzungen stützen sich auf aktuelle Untersuchungen und Aussagen (Stand 2024/2025), u. a. von BCG, McKinsey, MIT Sloan/Stanford, OECD sowie Stimmen aus der Wirtschaft (z. B. Amazon-CEO Andy Jassy, Anthropic-CEO Dario Amodei). Diese Quellen zeichnen ein konsistentes Bild: KI wird die Arbeitswelt spürbar verändern, aber mit dem richtigen strategischen Vorgehen können Unternehmen diesen Wandel erfolgreich und zum Wohl von Mensch und Wirtschaft gestalten.
https://www.businessinsider.com/anthropic-ceo-warning-ai-could-eliminate-jobs-2025-5
https://www.cbsnews.com/news/amazon-ceo-generative-ai-corporate-workforce/
https://www.hrdive.com/news/ai-adoption-workers-feeling-strained/716713/
https://hrexecutive.com/half-of-ceos-want-new-ai-roles-what-ibm-says-hr-can-do-to-prepare/
https://mitsloan.mit.edu/ideas-made-to-matter/these-human-capabilities-complement-ais-shortcomings
https://oecd.ai/en/wonk/impact-ai-on-the-labour-market-is-this-time-different
https://www.oecd.org/en/topics/policy-issues/future-of-work.html
https://sloanreview.mit.edu/article/why-ai-demands-a-new-breed-of-leaders

